Veröffentlicht am 03.06.2020

Digitalisierung auf der Überholspur

Am Josef-Albers-Gymnasium lernen mittlerweile alle Klassen und Kurse mit unterstützenden Videokonferenzen. Das Kollegium hat ein didaktisches Konzept für digitalen Heimunterricht entwickelt.

Mit der Schulschließung am 16.03. wurde das Lernen der Schülerinnen und Schüler ausschließlich an den heimischen Schreibtisch verlagert. Bereits während der ersten drei Wochen vor den Osterferien war den Lehrerinnen und Lehrern des Josef-Albers-Gymnasiums dabei der persönliche Kontakt zu den Klassen und Kursen durch Telefon- und Videokonferenzen wichtig. Inzwischen hat sich die Video- bzw. Telefonkonferenz zu einem wichtigen Baustein des Lernens auf Distanz am Albers entwickelt. 

Unterricht im Klassenzimmer ist mehr als das Bearbeiten von Aufgaben. Um das Fehlen kooperativer Bestandteile des Unterrichts und des sozialen Miteinanders beim Lernen auf Distanz zu kompensieren, war dem Lehrerkollegium des JAGs daher von Beginn an das bloße Stellen von Aufgaben und Prüfen von Schülerlösungen zu wenig. Schnell drängten Lehrkräfte darauf, auch Kommunikationswege über Videokonferenzen und die direkte Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern gewinnbringend zu nutzen. Mittlerweile haben in allen Lerngruppen ergänzende Videokonferenzen stattgefunden. Ein erster Schritt waren Klassenstunden mit dem Ziel des persönlichen Austausches und zur Stärkung des Miteinanders. Zunehmend unterstützen gerade in den höheren Klassen regelmäßige Konferenzen zu den üblichen Unterrichtszeiten aber auch die Lernprozesse.  Kollaborative Unterrichtsszenarien vom heimischen Schreibtisch werden erprobt und erhalten Einzug in ein Gesamtkonzept, nach dem die Lehrkräfte und die Jugendlichen in die Lage versetzt werden, im Lernen auf Distanz auch neue Lerninhalte erarbeiten und Lernerfolge messen zu können. 

Digitale Hilfsmittel, die analoge Methoden und Medien gewinnbringend ergänzen, werden am Albers seit Jahrzehnten erprobt und eingesetzt. In einem Pilotprojekt werden seit zwei Jahren in einer Tablet-Klasse auch Systeme der Bereitstellung von interaktiven Arbeitsblättern erprobt. Es wurde ein gut funktionierendes System gefunden, das seit einem Jahr vom Schulträger bereitgestellt und von der Schule selbst administriert wird. Für jedes Fach bildet ein digitales Kursheft die Basis für den Austausch von Aufgaben und Lösungen. Die dort von den Vorreitern der Tablet-Klasse gewonnenen Erfahrungen sollten nach den Sommerferien Einzug in die Unterrichtskonzepte von vier neuen Tablet-Klassen in der 5. Klasse erhalten. Vorbereitend wurde noch im Februar ein pädagogischer Tag zur Digitalisierung mit dem gesamten Lehrerkollegium durchgeführt. Als Mitgliedsschule im Netzwerk „Schule in der digitalen Welt“ konnte dieser Tag in Kooperation mit der Pacemaker-Initiative durchgeführt werden. Gemeinsam mit anderen Netzwerkschulen tauscht sich das Albers über gelingende digitale Lösungen auch in der aktuellen Corona-Situation aus. Weitere Anschluss-Fortbildungen und der Rollout der Softwarenutzung waren eigentlich erst für das kommende Schuljahr geplant. „Die Corona-Zeit beschleunigt diesen Prozess in schwindelerregendem Tempo“, so MINT-Koordinator Florian Wältring. „Die dazu notwendige Fortbildung auf Seiten der Lehrkräfte und Schüler erfolgt im Eiltempo auf der Überholspur. Dass es nun so schnell gehen muss, ist eine Herausforderung für alle. Wir holen jetzt viele Dinge nach, die in anderen Ländern längst zum Standard geworden sind.“ 

Parallel zur Weiterentwicklung des digitalen Lernens in der Corona-Krise, wurde ein gemeinsames Konzept entwickelt. Ziele des Konzepts sind, einheitliche Bedingungen zu erreichen und Absprachen für die neue Art von Unterricht zu treffen. Alle Lernenden können besser erreicht und unterstützt werden. Die Eltern können in der Begleitung ihrer Kinder im Lernen entlastet werden, sodass die Jugendlichen ihre Aufgaben weitestgehend eigenständig lösen und ihre Kompetenzen ausbauen. 

Drei Säulen bilden die wesentlichen Bausteine des Konzepts. 

1.     Ein Administratoren-Team von Lehrkräften bietet persönlichen Support für Kollegen, Eltern und Schüler. Auch die Erstellung von eigenen Lehrvideos und Anleitungen ist ein wesentlicher Bestandteil des Aufgabenbereichs dieser Arbeitsgruppe. 

2.     Die Hauptfachlehrer der 8. und 9. Klassen bilden ein Team, das Best-Practice-Beispiele für Unterrichtsszenarien auf Fachebene entwickelt und mit den Kollegen abspricht. Im Fach Mathematik kann beispielsweise auch während einer Telefonkonferenz für wenige Minuten zeitgleich eine Übungsaufgabe von allen gerechnet werden, deren Ergebnis dann von einem ausgewürfelten Schüler abfotografiert und virtuell vorgestellt wird. Die Fremdsprachen machen gerne von der Funktion Gebrauch, auf digitalen Arbeitsblättern Tonspuren einzusprechen. Die Schüler lernen auch, in Gruppen gemeinsam an kollaborativen Dokumenten zu arbeiten. Der Gruppenanruf unterstützt dabei den Arbeitsprozess fast so, als säße die Gruppe im Klassenraum. Wichtig sind Absprachen in Bezug auf die Lerninhalte, die bis zu den Sommerferien unterrichtet werden. Absprachen in den Fachgruppen und die gemeinsame Erstellung von digitalen Arbeitsblättern sind hier enorm wertvoll. Vor dem Hintergrund der jetzt stattfindenden schrittweisen Wiederaufnahme des Unterrichts in der Schule in kleinen Gruppen können so Aufgaben innerhalb des Kollegiums besser verteilt und der Präsenzunterricht flexibler geplant werden. 

3.     Die dritte Säule des Konzepts ist die wichtigste: Sie sorgt dafür, dass niemand bei der Nutzung der digitalen Möglichkeiten abgehängt wird. Schülerinnen und Schüler, die keine Endgeräte zur Verfügung haben, können z. T. mit Schulgeräten versorgt werden. In den meisten Fällen genügen erst einmal ein Smartphone und ein WLAN-Zugang. Dauert die Zeit des Distanzunterrichts noch länger an, so kann gerade für Gruppenarbeiten ein Tablet oder PC hilfreich sein. Hier ist es völlig egal, welches Betriebssystem Verwendung findet. Meist findet sich noch ein Gerät, das für den notwendigen Zweck eingerichtet werden kann.

„Ich bin stolz auf das, was bislang im Kollegium und von Elternseite in dieser besonderen Situation geleistet wurde“, so Schulleiter Ingo Scherbaum. „Mir war es von Anfang an wichtig, das gesamte Kollegium bei der Entwicklung unseres Heimunterrichts mitzunehmen. Zunächst hatten wir zur Aufgabenbereitstellung einen gut funktionierenden internen Bereich der Homepage. Die positiven Rückmeldungen nach den ersten selbst durchgeführten Videokonferenzen mit der eigenen Lerngruppe zeigten mir, dass wir mit dem langfristigen Wechsel auf eine richtige Lernplattform auf dem richtigen Weg sind.“ 

Niemand weiß, wie lange ein Lernen auf Distanz noch Wirklichkeit sein wird. Vermutlich wird eine Kombination von Präsenz- und Distanzunterricht noch lange den Schulalltag bestimmen. Hier sieht sich das Josef-Albers-Gymnasium gut gerüstet. Langfristig werden die Videokonferenzen für die Zeit nach Corona möglicher Weise kaum noch benötigt, doch alle anderen Wege der digitalen Bereitstellung von Aufgaben und die Aufgabenrückmeldungen über eine Plattform werden den Unterricht für Schüler und Lehrer am Albers zukünftig weiter unterstützen. Durch die Erfahrungen aus der Tablet-Klasse konnte nun auf Lösungen zurückgegriffen werden, die einen wirklichen Mehrwert für den Unterricht auch nach Corona darstellen.

Text: WLT

Foto: JKB/WAZ. Informatiklehrer Manuel Weiß in einer Videokonferenz im Fach Chemie.